Marsha P. Johnson – Pay it no mind

„Pay it no mind“ („Beachte es nicht“)

 

Diese Antwort erhielten nicht nur der Richter, der die Afroamerikanerin Marsha P. Johnson einst nach der Bedeutung des „P“s in ihrem Namen fragte, sondern auch alle Menschen, die sich nach ihrer geschlechtlichen Identität erkundigten. Der Satz wurde zum Lebensmotto der Transsexuellen, Dragqueen und vermutlich bis heute bedeutendsten LGBTIQ+ Aktivistin.

Geboren wurde sie im Jahr 1945 als Malcolm Michaels Jr. in Elizabeth, New Jersey in den USA. Sie war das fünfte von sieben Kindern der ärmlichen Arbeiterfamilie Michaels, ihr Vater arbeitete am Fließband einer Fabrik und ihre Mutter als Haushälterin. Bereits mit 5 Jahren begann Marsha P. Johnson, Frauenkleider zu tragen, hörte nach einigen Diskriminierungserfahrungen in der Schule und dem sexuellen Missbrauch durch einen 13-jährigen Jungen jedoch zunächst wieder damit auf.

Erst nachdem sie 1963 ihren Highschool-Abschluss machte und mit nicht mehr als 15 US-Dollar nach New York zog, war es ihr möglich, ihre Geschlechtsidentität offener auszuleben. In Bezug auf diese beschrieb sich Johnson selbst als Homosexuelle, Transvestitin und Drag Queen und verwendete die Pronomen sie/er. Der Begriff „Transgender“ wurde erst nach Johnsons Zeit allgemein benutzt und bekannt. Obwohl New York offener und vielfältiger war als Johnsons Heimatstadt, waren auch hier die Rechte von LGBTIQ+ Personen stark eingeschränkt. So durften Homosexuelle in der Öffentlichkeit beispielsweise nicht miteinander tanzen und in Bars oder Restaurants wurde ihnen kein Alkohol ausgeschenkt.

Als offen Homosexuelle, Transvestitin und Person of Color hatte Marsha P. Johnson es schwer, eine Arbeit zu finden und war so gezwungen, als Prostituierte unter dem Namen „Black Marsha“ ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie wurde häufig von Kunden missbraucht und etliche Male von der Polizei verhaftet, wobei sie selbst die Anzahl ihrer Verhaftungen auf etwa 100 schätzte.

Obwohl sie später zusätzlich als Kellnerin arbeitete und in Drag-Shows auftrat, hatte Marsha P. Johnson lange keinen festen Wohnsitz und schlief so entweder bei Freunden, in Hotels, Restaurants oder auf der Straße. Die Arbeit als Drag Queen aber stellte für sie eine sehr erfüllende Tätigkeit dar, die es ihr zum ersten Mal in ihrem Leben ermöglichte, zugleich jemand und sie selbst zu sein. Sie selbst sagte zu diesem Thema einst:

 

„I was no one, nobody, from Nowheresville until I became a drag queen“.

 

Kurz nach ihrem Umzug nach New York lernte Marsha P. Johnson, die damals 17 Jahre alt war, die 11-jährige Sylvia Riviera, ein puerto-ricanisches Transgender-Mädchen, kennen und die beiden wurden schnell gute Freunde. Marsha P. Johnson ermutigte Sylvia Riviera, zu ihrer Identität zu stehen und sich selbst so zu lieben, wie sie war. Auch mit ihrem einzigartigen Kleidungsstil, der aus farbenfrohen lustigen Outfits und Blumenkränzen bestand, die sie meist aus Secondhand-Läden erwarb, steckte sie ihre Freundin an.

Als am 28. Juni 1969 die „Stonewall-Unruhen“ stattfanden, änderte sich Johnsons Leben schlagartig von der Drag Queen hin zur Aktivistin. Am frühen Morgen dieses Tages führte die Polizei eine Razzia in der bekannten Schwulenbar „Stonewall In“ durch und begannen damit, die Gäste zu verhaften. Als Johnson wenig später eintraf, nahm sie eine führende Position im Protest der Gäste und der ansässigen LGBTIQ+ Community ein, die endlich gegen die Ungerechtigkeit und Gewalt, der sie ausgesetzt waren, ankämpfen wollten.

Aus den Stonewall-Unruhen folgten 1970 die erste Gay Pride Parade und die Entstehung von zahlreichen Schwulenrechtsgruppen, in denen anfangs auch Marsha P. Johnson aktiv war. Dazu gehörten beispielsweise die Gay Liberation Front und die Gay Activist Alliance. Der Ausschluss von Transgender- und LGBTIQ+ Personen of Color aus diesen Gruppierungen frustrierte sie jedoch und bewegte sie dazu, sich später aktiv gegen die Transphobie dieser Gruppierungen zu wenden.

Außerdem gründeten Johnson und Riviera 1970 die Transvestite Action Revolutionaries (STAR), die jungen Transgender-Personen half, die von ihren Familien gemieden oder verstoßen wurden. Das sogenannte STAR House diente hierbei als Ort, an dem sich transsexuelle Jugendliche ohne Unterkunft sicher aufhalten konnten. Da sich auch Johnson und Riviera selbst einen solchen Ort gewünscht hätten, als sie nach New York kamen, hatte das Projekt eine sehr wichtige und persönliche Bedeutung für sie.

Darüber hinaus lenkte Marsha P. Johnson als Mitglied der Drag-Gruppe „Hot Peaches“ immer mehr Aufmerksamkeit auf sich, sodass sie 1975 sogar vom bekannten Pop-Art-Künstler Andy Warhol in einer Bilderserie mit dem Titel „Ladies and Gentleman“ abgebildet wurde. Ihr Ziel aber war und blieb die Befreiung und gesellschaftliche sowie rechtliche Gleichstellung von LGBTIQ+ Personen. Im Jahr 1980 durfte sie deshalb sogar im vordersten Wagen bei der jährlichen Gay Pride Parade mitfahren.

Dabei musste Johnson trotz ihres immerwährenden Lächelns immer wieder Rückschläge hinnehmen. So erlitt sie in den 1970er-Jahren psychische Zusammenbrüche, musste einige Zeit in einer psychiatrischen Klinik verbringen und 1990 wurde bei ihr HIV diagnostiziert. Zuvor engagierte sie sich aufgrund von vielen AIDS-Todesfällen in ihrem Umfeld gegen die Krankheit und nahm an einigen Treffen der AIDS-Lobby-Gruppe ACT UP teil.

Nur wenige Tage nachdem sie ihre eigene Erkrankung 1992 in einem Interview öffentlich gemacht hat, wurde Marsha P. Johnson Tod aus dem Hudson River geborgen. Ihr Tod wurde zwar zunächst als Selbstmord eingestuft, viele ihrer Freunde zweifelten jedoch an dieser Einstufung, zumal nach Angaben des New York Anti-Violence Projects 1992 die meisten Anti-LGBTQ-Gewalttaten verzeichnet wurden. Daraufhin wurde der Fall von der Polizei als Ertrinken aus ungeklärter Ursache eingestuft.

Trotz ihres frühen Todes mit nur 46 Jahren bleibt Marsha P. Johnson eine der wichtigsten LGBTIQ+ Aktivistinnen und wird unter anderem mit einem Denkmal in New York und der Umbenennung eines Parks in Brooklyn nach ihr geehrt, denn ihre Taten stellten wichtige Weichen für die gesellschaftliche Akzeptanz und die Gleichberechtigung von LGBTIQ+ Personen, die auch oder gerade heutzutage weiterhin weltweit angestrebt werden muss.

 

Quellen:

https://www.womenshistory.org/education-resources/biographies/marsha-p-johnson
https://www.musikexpress.de/marsha-p-johnson-ein-denkmal-fuer-die-legendaere-drag-queen-und-lgbtqi-aktivistin-1861665/
https://www.biography.com/activists/marsha-p-johnson

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